· 

Psychosoziale Kunsttherapie

Psychosoziale Kunsttherapie[1] ist ein am Arbeitsfeld und Klienten bzw. Patienten orientiertes, eklektisches kunsttherapeutisches Verfahren. Sie steht für eine integrative (Ansätze unterschiedlicher Therapieschulen zusammenfassende), interdisziplinäre (fächerübergreifende Verbindung von Kunst, Psychologie, Medizin, Pädagogik und Ästhetik sowie alle Künste umfassende), interkulturelle (Kulturen übergreifende) Orientierung. Sie therapiert psychosozial, d.h. auf psychische und soziale Ursachen zurückgehende Konflikte und Störungen durch die Anwendung künstlerischer Medien, wie Malerei, Schreiben, Lesen, Spielen, Plastizieren, grafische Gestaltung, Musik, Tanz und Bewegung u. a. Im Mittelpunkt der Therapie steht allein das Interesse des Patienten.[2]

 


[1] Psychosoziale Kunsttherapie (IFKTP)® ist beim Deutschen Patent- und Markenamt DPMA als eingetragene Marke registriert. Die Berufsbezeichnung Psychosozialer Kunsttherapeut (IFKTP)® darf nur nach Zertifizierung durch den Verband Deutscher Kunsttherapeuten (VDKT) geführt werden. Die Ausbildungen führen zu bundesweit anerkannten Abschlüssen

[2] IFKTP: Leitfaden Psychosoziale Kunsttherapie, Was ist Kunsttherapie?, S. 3


Grundwissen von Psychosozialen Kunsttherapeuten

Zum Grundwissen von Psychosozialen Kunsttherapeuten gehören Kenntnisse über die einzusetzenden Ansätze, Verfahren und Methoden. Der jeweilige Ansatz der modernen Psychotherapie entlehnt kann dabei als das Menschenbild, als die Grundannahme (Axiom) über die menschliche Natur verstanden werden. So vereint ein Ansatz jeweils eine Reihe dieses Menschenbild anerkennende Verfahren, also Herangehensweisen, welche wiederum entsprechende Methoden, die konkreten Umsetzungsschritte, zur Bearbeitung psychischer Konflikte und Störungen nutzen. Ihnen sind innerhalb eines Ansatzes die Sicht auf das menschliche Wesen, der Blickwinkel und die Fragestellung gleich.

Da die für die Psychotherapie beschriebenen Ansätze jeweils ein Menschenbild zum zentralen Ausgangspunkt haben und mit den Verfahren grundlegende, richtungsweisende Herangehensweisen beschrieben sind, werden Menschenbild und die Herangehensweise ebenso in der kunsttherapeutischen Arbeit zum Ausgangspunkt. 

Ansätze der Psychosozialen Kunsttherapie

Die Psychosoziale Kunsttherapie betrachtet den Menschen ganzheitlich im Sinne der Definition der WHO als "Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen".

Psychosoziale Kunsttherapie berücksichtigt hierzu das trieborientierte unbewusste Handeln, welches sich in der Sublimierung oder Symbolisierung zeigt, dass durch Konditionierung durch Reize und Stimulation ausgeprägte Denken und Empfinden, welches durch Lebensmuster und -strukturen sich ausdrückt, dass durch Denken, Fühlen und Wollen geprägte Seelenleben, welches sich im Lebensprozess und Störungen des Lebensrhythmus offenbart, das Streben des Individuums nach Vollständigkeit, welches sich im Bemühen um die Aktivierung der persönlichen Ressourcen äußert.   

 

Die vier wesentlichen Ansätze der Psychosozialen Kunsttherapie sind:

  • der psychodynamische Ansatz (Symbolisierung und Sublimierung)
  • der verhaltenstherapeutische Ansatz (Strukturierung)
  • der anthroposophische Ansatz (Prozessorientierung) und
  • der humanistische Ansatz (Ressourcenorientierung).

Der anthroposophische Ansatz fördert im Rahmen der Psychosozialen Kunsttherapie die materialorientierten Prozesse. Die Anwendung dieses Ansatzes zielt auf die Aktivierung der Selbstheilungs- und Resilienzkräfte durch Nutzung bestimmter künstlerischer Materialien und Arbeitsweisen.

Immer wenn unbewusste Anteile aufgedeckt werden sollen, wird mit dem psychodynamischen Ansatz, der symbolorientierte Prozesse unterstützt.

Der behavioristische Ansatz hat seinen Schwerpunkt in haptisch-stimulierenden Prozessen, die eine kognitiv-verhaltensändernde Verhaltensstrukturierung bewirken sollen.

Mit dem humanistischen Ansatz werden erlebnis- und empfindungsorientierte Prozesse angeregt. Es werden die Ressourcen der Klienten aktiviert, die Autonomie gestärkt und die Authentizität gefördert.

Kunst in der Gegenwart sucht den Bezug im Sozialen

"In Anbetracht der individuellen Lebensrisiken ist freilich eine Theorie nicht einmal denkbar, die die Faktizitäten von Einsamkeit und Schuld, Krankheit und Tod hinweginterpretieren könnte; die Kontingenzen, die an der körperlichen und der moralischen Verfassung des Einzelnen unaufhebbar hängen, lassen sich nur a l s   Kontingenz ins Bewusstsein heben: mit ihnen müssen wir, prinzipiell trostlos, leben". (l)

 

(l) Jürgen Habermas. Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, edition suhrkamp 623, Frankfurt a.M. 1973. S. 165

 

„An den Beginn meiner Überlegungen zur Herausgabe dieser Texte zur Kunst-Therapie habe ich das Habermas-Zitat gesetzt, um zwei grundsätzliche Vorstellungen, bzw. Ansichten zu betonen: dass es im Kern um Fragen der Grundbefindlichkeit im Leben geht und um Fragen einer kritischen Theorie thematischer Interaktion. Daran muss sich Therapie, und muss sich Kunst in Bezug auf Therapie, messen lassen, legitimiert erweisen und bewähren.

 

Für Theorie- und Praxiskonzeptionen von Kunst-Therapie stellen sich nach wie vor generelle Fragen der Begründung, der Rechtfertigung, der Formbestimmung. Es ist nicht hinreichend beantwortet, in welcher Art und Richtung theoretischer Anstrengung fachlich und allgemein überzeugend zur Grundlegung, Methodik und Zielsetzung beigetragen werden kann. Bisherige fachliche Ansätze und immanente Diskurse, eindimensionale Erklärungen und selbst referentielle Entwürfe reichen nicht: sie sind für die verschiedenen Versionen nicht hinreichend kompatibel bzw. zu erkenntniskritischer Fundierung nicht geeignet. Es muss darum gehen, über das jeweilige Interesse und die persönliche Version hinauszugehen: auf die gesellschaftlichen Bedingungen, in den Alltag, in eine Lebenswelt-Konzeption, in generelle Erkenntnisfragen.“ (Klaus Matthies)

 

Kunst in der Gegenwart sucht den Bezug im Sozialen, Kunst sucht schon lange nicht mehr allein den Markt, den Kunsthandel, Kunstpädagogik und –therapie suchen nicht länger nach bloßer Methodik und didaktischen Programmen, vielmehr liegen ihre Aufgaben in den Erkrankungen, den Lebensgeschichten, den biographischen Bezügen, den Brüchen,  den Handlungen der Beteiligten.

Während die Kunstpädagogik Menschenbildung sein kann, in dem sie die Aporetik, die Unmöglichkeit einer Problemlösung, weil das Problem selbst unlogisch erscheint, zu neuen Sichtweisen herausfordert.

Ist das was in der Kunsttherapie produziert wird, dann Kunst? Edith Kramer, die Mitbegründerin einer psychoanalytisch orientierten Kunsttherapie schrieb: „...ich denke an mich als Maler und als Kunsttherapeut, nicht als ein Mediziner, ein Kunsttherapeut -- der etwas über klinische Arbeit auch versteht, ein Kunsttherapeut seien aber bedeutet, das Kunst wirklich als Therapie verwendet wird.“

„Es scheint mir der einzige Grund, warum man ein Kunsttherapeut werden würde, dass man etwas anzubieten hat, das Speziell ist, das nur die Künste geben können. Andernfalls könnten sie auch ein Psychotherapeut werden.“ (Kramer McMahan, 1989, pp. 107-108)

 

Der deutsche Künstler Joseph Beuys formulierte den „erweiterten Kunstbegriff“ und erklärte: "Kunst ist ja Therapie!"  und behauptete: "Jeder Mensch ist ein Künstler".  

 

„Bei mir ist das aber so, dass ich mir für viele Fragen unseres Lebens, für die Frage der Kunst und auch für die Frage der Wissenschaft den größten Erfolg versprochen habe, indem ich versuche, auf dem Papier eine Sprache zu entwickeln, die eine Anregung dazu gibt, Weitergehendes in die Diskussion zu bringen, mehr als nur das, was die gegenwärtige Zeitkultur an Wissenschaftlichkeit, an Kunstbegrifflichkeit und Sinnen darstellt.“ (Beuys)

 

Auch Andreas Mayer-Brennstuhl bestätigte: "Kunsttherapeuten sind primär Künstler."

 

Der Begründer der Psychosozialen Kunsttherapie, Alexander B. Schadow schrieb hierzu: 
„Das Medium der Kunsttherapie ist die Kunst.

Die wesentliche Aufgabe der Kunsttherapie liegt darin, Selbsterfahrungs- und Heilungsprozesse mittels Kunst anzuregen und zu begleiten. Die Psychosoziale Kunsttherapie ermöglicht es, Selbstverantwortlichkeit, Erlebnisfähigkeit und Erkenntnisfähigkeit des Klienten zu üben, zu aktivieren und zu kurieren.“  

 

© Copyright by Alexander Schadow. All  rights reserved. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Urhebers. VG Wort Urheber –NR.: 9404669

Kommentar schreiben

Kommentare: 0